Ursachen von Gewalt

Die Grafik macht deutlich,

  • dass Gewalt viele Ursachen haben kann
  • dass diese miteinander in Beziehung stehen, sich verzahnen
  • dass die Ursachen vor allem externer Art sind
  • dass die individuellen Faktoren von den externen beeinflusst werden.

Die individuellen Faktoren sind zu unterscheiden in habituelle und situative Faktoren. die habituellen entwickeln sich durch Sozialisation und Erfahrungen mit Gewalt insbesondere im Kindes- und Jugendalter, die situativen reagieren auf bestimmte (vorübergehende) externe Konstellationen. So kann ein an sich friedliebender Mensch, wenn er oder seine Nächsten bedroht werden, durchaus zu Gewaltmitteln greifen.

Psychologisch betrachtet, sind die beiden zentralen Faktoren für individuelle Gewaltbereitschaft  ICH-Stärke der Persönlichkeit und Selbst- bzw. Aggressions-Kontrolle. Die Entwicklung dieser beiden Persönlichkeitsmerkmale wird beeinträchtigt durch:

  • Geringe Selbst-/Aggressionskontrolle: Mangel an Geduld und Anerkennung, an emotionaler und geistiger Zufuhr behindert die Entwicklung einer selbstbewussten, gefestigten Persönlichkeit, die mit Frustrationen fertig wird. Die nachdenkt, bevor sie handelt, und sich selbst gegenüber kritisch ist. Die sich kontrollieren und beherrschen kann und nicht gleich explodiert, wenn in heiklen, konfliktträchtigen Situationen Affekte und Aggressionen hochkommen.
  • Gewalterfahrungen – psychische wie Demütigungen, Vernachlässigung, Ausgrenzung, oder physische wie Schläge und Tritte – stehen nicht nur der Entwicklung von gesundem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl entgegen, sondern sie erhöhen die Bereitschaft, sich mit Gewalt durchzusetzen. Denn Gewalt, so hat man gelernt, ist der kürzeste Weg zum „Erfolg“.
  • Familiäre Verhältnisse: Die Familie bietet zwar das Zuhause. Doch dieses ist oft nur noch ein Dach über dem Kopf und nicht mehr der Hort der Liebe und Geborgenheit, der gegenseitigen Achtung und Anerkennung. Viele Familien lösen sich auf, jeder geht seiner Wege. Statt mit- oder füreinander ist man neben- oder gegeneinander.  Es wird nicht argumentiert, sondern gekämpft.
  • Verletzung der Menschenwürde: Leider wird dieser 1. Paragraph des Grundgesetzes nur allzu oft verletzt. Das fängt mit Schimpfwörtern, Hänseleien, Beleidigungen, Herabsetzungen, als ungerecht empfundenen Zurechtweisungen an und steigert sich bei mehrfacher Anwendung zum Mobbing. Reagiert man auf derartige Anfeindungen nicht direkt und offen oder sucht Hilfe, sondern schluckt die Demütigungen (der eigenen Person oder der persönlichen Umstände), setzt sich ein emotionaler Prozess in Gang, der verheerende Folgen haben kann. Man ist nicht nur klein gemacht worden, sondern fühlt sich klein, hilflos und beschämt. Es entstehen Selbstzweifel und eine Art ohnmächtiger Scham. Doch das lässt das Ich nicht zu; es verlangt nach Respekt. Der innere Widerstand wächst, Wut, Aggressionen bauen sich auf. Die innere Spannung ist schließlich nicht mehr auszuhalten, braucht ein Ventil. Es kommt zu gewalttätigen Entladungen gegen den Verursacher/Täter oder  Ersatzpersonen oder auch gegen sich selber. Mit Gewalt glaubt man, Respekt erobern zu können, es der Welt zu zeigen und (mediale) Aufmerksamkeit zu erringen. Schaut, wozu ich fähig bin!

Während diese Faktoren die Entwicklung einer starken Persönlichkeit beeinträchtigen, handelt es sich bei den weiteren in der Grafik aufgezeigten um externe Risikofaktoren, die Gewalt situativ begünstigen:

  • Desintegration: In einer pluralistischen Gesellschaft – mit zunehmender Anonymität einerseits und Individualisierung andererseits – hat der Einzelne keinen eindeutigen Stellenwert, ist nicht eingebunden in ein solidares Gemeinschaftsgefüge und muss sich seinen Platz erkämpfen. Der Starke siegt, der Schwache fällt durch die Maschen und wird ausgegrenzt. Die Tendenz zur Ghettoisierung der sozial Schwachen birgt Zündstoff.
  •  Soziale Polarisierung: Das soziale Gefälle, die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Die Verteilungsgerechtigkeit und die Chancengleichheit nehmen ab. Wachsende Perspektivlosigkeit und Frust sind ein gefährliches Potenzial für Aggressionen und Gewalt. Erhöhter Leistungs- und Konkurrenzdruck fördern die Ellbogengesellschaft.
  • Wertewandel: Der Mangel an allgemeingültigen, verbindlichen Werten, insbesondere der Bedeutungsverfall ethischer Werte, birgt die Gefahr von Orientierungslosigkeit und innerer Leere. Das macht anfällig für Flucht in Drogen und Spiel, für Nervenkitzel und die Suche nach dem „Kick“, für Exzesse und Gewalt als Ersatz für wertorientierte Sinnstiftung.
  • Lebensbedingungen: Beengte Wohnsituation, ungepflegte Häuser und Straßen, ungenügende Infrastruktur wie z. B. Mangel an Erwerbsmöglichkeiten und Freizeitangeboten, soziale Brennpunkte mit überdurchschnittlich hohen Anteilen von sozial Schwachen, Drogen- und Alkoholsüchtigen, Kriminalität u. Ä. sind Risikofaktoren, die die Gewaltschwelle senken und die Gewaltbereitschaft erhöhen.
  • Gewaltkult: Für viele Kinder und Jugendliche gehört Gewalt zur Freizeitgestaltung, zum Zeitvertreib, zum Vertreiben von Langeweile. Sei es bei Roboter-, Video- oder Computerspielen – Gewalt fasziniert. Viele Jugendgruppen, Cliquen, Banden kultivieren Gewalt als Mutprobe. Und in vielen Medien wird Gewalt verherrlicht. Unheilvolle Vorbilder können labile, gefährdete Jugendliche zur Nachahmung verleiten.