Kampagne „Ich mach mit“

Warum Kunst gegen Gewalt wichtig ist

Darstellungen von Gewalt sind seit Urzeiten Thema gestalterischen Schaffens und künstlerischen Ausdrucks. Kunst überspitzt, verfremdet die Realität, stellt neue Zusammenhänge und Perspektiven her, provoziert veränderte Sichtweisen und Kontroversen, regt zum Nachdenken an.

In der Schule praktiziert, kann Kunst gegen Gewalt dazu beitragen, dass

  • man sich dem komplexen Thema Gewalt nicht autoritär nähert und damit etwaige Widerstände erzeugt, sondern behutsam, auf eher „spielerische“ Weise (denn Kunst macht Spaß),
  • Gewalt früh, bereits in den unteren Klassen der Grundschule thematisiert wird,
  • auch zu Gewalt neigende Schüler*innen eingebunden werden und aggressives Verhalten kreativ kanalisiert und gebändigt wird,
  • Zeichen gegen Gewalt geschaffen werden, die sichtbar sind, die zum Nachdenken anregen, über die man diskutieren kann,
  • man sich mit den Ursachen und Folgen, Tätern und Opfern von Gewalt auseinandersetzt und eigene Erlebnisse, sogar Traumata ausdrückt und verarbeitet.

Im folgenden werden verschiedene Kunst-gegen-Gewalt-Projekte kurz vorgestellt. Sie haben an unterschiedlichen Schulen mit Schüler*innen aller Altersstufen unter Anleitung verschiedener Künstler*innen stattgefunden. Kunst gegen Gewalt wird vom Landesrat für Kriminalitätsvorbeugung MV gefördert.

Grundgesetz und Mehl-Art

Das Friedrich-Franz-Gymnasium, Parchim, zeigte auch 2019 wieder seine Aufgeschlossenheit für Präventionskultur und Kooperationsbereitschaft. Vom 23. Oktober bis 9. November 2019 wurde die Ausstellung AKTIV gegen GEWALT – für jedermann sichtbar – im Foyer der Schule präsentiert. Sie sorgte in den Pausen unter den Schüler*innen für viel Diskussionsstoff und im Unterricht für vertiefende Verarbeitung.

Als Höhepunkt der Ausstellungseröffnung fand am 23. Oktober unter der Anleitung der erfahrenen Konzeptkünstlerin Tina Schwichtenberg die Aktion „Mehl-Art“ statt.

Im Foyer des Gymnasiums wurden von Schüler*innen (drei Klassen/Altersstufen) die unveränderbaren Paragraphen des Grundgesetzes ausgelegt, und zwar mit vorgefertigten Buchstaben, die rundherum mit Mehl bestäubt und anschließend entfernt werden. So werden die nicht bemehlten Buchstaben freigelegt und das Grundgesetz sichtbar/lesbar – für jeden, der das Foyer betritt, tagtäglich.

Diese von Tina Schwichtenberg erfundene und mehrfach erfolgreich – u. a. im Sommer 2019 mit Schüler*innen auf dem Kieler Marktplatz – erprobte Aktion  erfüllt mehrfache Funktionen der kulturellen Bildung:

  • intensive Beschäftigung mit dem Grundgesetz
  • Einübung von Geduld, Sorgfalt, Präzision (beim Setzen und Entfernen der Buchstaben)
  • Umsicht beim täglichen Betreten des Foyers sowie Achtung vor unserer Verfassung.

    Friedliches Zusammenleben

2017 wurden die beiden Schulprojekte „Zeichen gegen Gewalt“ und „Kunst gegen Gewalt“ am Friedrich-Franz-Gymnasium, Parchim, mit den Schüler*innen der Klasse 8 c/d in Kooperation mit der Lehrerin Frau Schlüter-Beck und der Fotografin/Künstlerin Jutta Schwöbel (Schwerin) realisiert.  Im Unterricht setzten sich die Schüler*innen mit dem Thema „friedliches Zusammenleben“ auseinander und erarbeiteten u. a. die wichtigsten Kompetenzen/Qualifikationen heraus, die für einen gewaltfreien Umgang  und eine konstruktive Kooperation von Bedeutung sind und von jedem/r Schüler*in eingehalten werden sollten: z. B. Fairness, Toleranz, Empathie, Freundschaft.

Die erarbeiteten Kompetenz-Begriffe wurden jeweils auf einen kleinen Zettel geschrieben und in einen Hut gelegt, aus dem dann je ein Zettel von den Schüler*innen gezogen wurde (tauschen war erlaubt). Jede*r musste dann in einem Satz niederschreiben, was sie/er darunter verstand. In der nächsten Projektphase erarbeitete die Fotografin/Künstlerin mit den Schüler*innen die Grundsätze und Techniken für die Anfertigung von Portraitfotos mit einer Digitalkamera, die die „Persönlichkeit“ der Schüler*innen erfasst. Danach begann – unter fachkundiger Begleitung durch Jutta Schwöbel – die praktische Phase der Herstellung von Portraitfotos aller am Projekt beteiligten Schüler*innen und von einigen Gruppenfotos.

 

Die zuvor gezogenen Kompetenzbegriffe und Definitionen wurden den Portraits jeweils – im Digitalverfahren – zugeordnet. Anschließend wurden die Portrait- und Gruppenfotos in DIN A3 ausgedruckt und auf drei litfassähnliche, bewegliche Papp-Säulen (Durchmesser ca. 60 cm, Höhe ca. 220 cm) rundum mit Klebeband befestigt. Die drei Säulen wurden zunächst als Ergebnis des Projekts im Foyer des kulturforums Pampin und im Wintergarten des Künstlerhauses präsentiert und dann im Atrium des Friedrich-Franz-Gymnasiums/Parchim ausgestellt.

 

Das Projekt „friedliches Zusammenleben“ wurde 2018 fortgesetzt. Die im Rahmen des Schulprojekts „Junge Flüchtlinge bei uns – Wir sind aktiv“ (2016) im kulturforum Pampin hergestellte und von der Projektgruppe z. T. besprayte Kopf-Skulptur wurde nach Parchim ins Friedrich-Franz-Gymnasium gebracht und dort von den Schüler*innen neu gestaltet: farblich überarbeitet und mit Begriffen versehen, die für ein friedliches  Zusammenleben wichtig sind.

Auch in der Regionalschule An den Ruhner Bergen, Marnitz, war friedliches Zusammenleben 2018 das zentrale Thema.  In enger Kooperation des  Bildhauers Herbert K. Höcky, Massow, mit dem Kunstlehrer an der Regionalschule An den Ruhner Bergen, Marnitz, und dem kulturforum Pampin wurde das Konzept entwickelt und umgesetzt.

Zunächst wurde im kulturforum Pampin das Ausgangs-/Bearbeitungsmaterial hergestellt: runde Klötze  und Würfelobjekte.

Die Holzklötze wurden von den Schüler*innen in Teamwork bearbeitet und angemalt, um sie anschließend als Stele aufeinander zu schichten oder auch als Sitzplätze zu verwenden , an denen z. B.  Streitgespräche konstruktiv ausgetragen werden können. Außerdem wurde die „Skulptur der Köpfe“ (Stahlplatte) überarbeitet und bemalt.

Die an diesen Kunstprojekten gegen Gewalt und für friedliche Konfliktlösung  beteiligten Schüler*innen haben engagiert  mitgearbeitet und ihre Kreativität eingebracht. Auf diese Weise konnten Kompetenzen in der Zusammenarbeit und bei der Herstellung von Kunstobjekten erworben/gestärkt werden, die für ein friedliches Zusammenleben von Bedeutung sind – wie Kooperation, Teamgeist, Empathie, Phantasie etc.

Junge Flüchtlinge bei uns – Wir sind aktiv

Ein besonderes Highlight der Präventionsprojekte 2016 des kulturforums PAMPIN (gefördert vom Landesrat für Kriminalitätsvorbeugung MV) war die Durchführung des kooperativen Projektes „Wir sind aktiv“ mit Flüchtlingen und Schüler*innen des Friedrich-Franz-Gymnasiums, Parchim. 32 Schüler*innen, davon 12 syrische Asylsuchende, setzten sich vor Ort in Pampin unter Anleitung von Prof. Dr. Vogt und des Künstlers H. W. H. Hundrich in Gesprächen und künstlerischer Weise mit den Themen Vertreibung, Flucht und Integration in eine fremde Gesellschaft auseinander.

Bevor es ans kreative Arbeiten ging, fand zur Auflockerung und zum gegenseitigem Kennenlernen und Verstehen eine Gesprächsrunde statt. Hier stellten sich die jugendlichen Migranten, die bereits erstaunlich gut Deutsch konnten, vor und erzählten von ihren bewegenden Fluchterfahrungen, ihren Hoffnungen und Wünschen. Außerdem wurden sie auf die kreativen Arbeiten, die in der Ausstellungshalle des kulturforum stattfinden sollten, vorbereitet.

Da u. a. Sprayen angesagt war, mussten die Schüler*innen Schutzkleidung anlegen. Das erforderte eine erste kreative Arbeit: Blaue Müllsäcke mussten zerschnitten und um den Körper drapiert werden. Dabei kamen sehr unterschiedliche, phantasievolle Kreationen zustande. Und es machte Spaß, die Stimmung war locker und fröhlich. Beschwingt schritt man durch den Vorhang in die Ausstellungshalle.

Große Plastikplanen wurden auf dem Fußboden ausgebreitet. Darauf legten sich die Schüler*innen und zeichneten die Umrisse ihrer Körper – wild durch- und übereinander. Dann begann das. kreative Sprayen.

Zum Abschluss des Projektes im kulturforum PAMPIN besuchten die Jugendlichen den Skulpturenpark. Als Zeichen der Verbundenheit und als Symbol für – zumindest hier erzeugte – Integration stellte man sich unter besprayte Schirme.

Schirme als Symbole der Verbundenheit
beschirmt und fröhlich

Die Ergebnisse der Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema wurden zu Ausstellungen – mit Info-Tafeln, Foto-Dokumentation und Kunstobjekten – zusammengefasst,die im kulturforum PAMPIN und in der Empfangshalle der Sparkasse Parchim-Lübz in Parchim (April/Mai 2017) mit unterschiedlichen Inhalten gezeigt worden sind; über diese Aktionen/Ausstellungen wurde sowohl in der Presse als auch im Fernsehen berichtet,- die Öffentlichkeit zeigte reges Interesse an den Ausstellungen.

Die Klasse 10c des Friedrich-Franz-Gymnasiums beteiligte sich mit ihrem Projekt „Junge Flüchtlinge bei uns“, für dessen Gelingen die Pampiner Kunstaktion ein wesentlicher Bestandteil war, an eineminternationalen Schülerwettbewerb. Die Konkurrenz war riesig. 60 000 Jugendliche der 5. – 11. Jahrgangsstufen aus Deutschland, Österreich, Italien, Belgien, Dänemark, Norwegen, Tschechien, Luxemburg, Rumänien, sogar Thailand und Indien haben 2016 mitgemacht. Umso höher ist es zu bewerten, dass die Projektgruppe, die an der Kunstaktion im kulturforum Pampin beteiligt war und viel Fleiß und Kreativität in die eingereichte Dokumentation gesteckt hatte, mit einem Anerkennungspreis ausgezeichnet und mit 250 € Preisgeld belohnt wurde.